27. – 30.5., 42. bis 45. Tag

30. Mai 2014

27.5., 42. Tag
Wir hatten es ja so gewollt weil es uns in den letzten Tagen zu heiß war. Heute morgen hatten wir noch 11°C, das war doch schon ganz schön frostig.

Nachdem die Boote und Fahrräder verladen waren fuhren wir in Richtung Süden zum höchsten Berg des Baltikums, den wir heute besteigen wollen. Der Suu Munamägi (großer Eierberg) ist 318 m hoch und hat einen Aussichtsturm von 30 m Höhe. Der Berg ragt aber nur 60 m über Grund auf und so ist die Wanderung sehr überschaubar. Es geht über eine lange Treppe hoch und schon ist man da. Im Turm gibt es einen Lift, der 5 € kostet, für Senioren aber nur 2 €. Also ersparten wir uns die enge Wendeltreppe und fuhren hoch. Die Aussicht ist schön, man sieht unglaublich viel Wald, aber auch einige kleine Seen. Kurz nach uns kam eine ganze Schulklasse hoch und ich über längere Zeit nicht mehr herunter.
Wir fuhren dann in die nächste Stadt zum Einkaufen und weiter zum Fluss Vöhandu Jögi, den wir nach Möglichkeit morgen fahren wollen. Da wir keinen Stellplatz finden fahren wir auf einer 5 km langen Schotterpiste zu einem Dorf, in dem auch Paddeltouren angeboten werden. Vermutlich aber nur am Wochenende, denn jetzt ist alles wie ausgestorben. Wir stellen uns daher am Fluss auf die Wiese und übernachten dort. Der Regen, der heute Abend begann ist auch wieder fertig, nun warten wir auf die Nacht. Zeitweise haben wir Besuch von einem Hund, der uns gar nicht mehr verlassen will. Vermutlich wohnt also doch jemand in einem der umliegenden Häuser.
Wetter: kühl, von 11° bis kurzzeitig 16 °, Abends leichter Regen

28.5., 43. Tag Sprachlosigkeit
Nun sitzen wir wieder mal mitten im Nirgendwo im Bus, hören Bap und essen selbstgekochtes Thainesisches.
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IMG_4260Dabei lassen wir den Tag Revue passieren.
Heute Morgen passte alles zusammen: um 7 Uhr waren wir hellwach und das Thermometer zeigte 7°C. Dazu nieselte es und erstaunlicherweise hatte dann keiner Lust, heute paddeln zu gehen. Denn der Wetterbericht sagte, dass es so bleibt. Und Radfahren gehört dieses Mal halt auch dazu. Also entschlossen wir uns, einen Autotag mit Besichtigungen einzulegen. Für Estland gibt es eine Broschüre, in der die wichtigsten und schönsten Sehenswürdigkeiten aufgeführt sind und die vor Ort durch ein großes gelbes Fenster aus Stahlrohr betrachtet werden können. Wir brauchten ein paar Tage bis wir das System verstanden, denn die estnische Sprache ist für uns ein Buch mit 7 Siegeln. Sie ist mit keiner uns bekannten Sprache verwandt und klingt sehr sehr fremd (wie finnisch, das wir allerdings auch nicht verstehen).
Wir legen also unsere Route nach Norden so, dass wir einige der Fenster finden können, was bei dem Wetter natürlich auch richtig Spass macht. Und wir haben alle gefunden, selbst das im Urwald! Auf unserer Strecke nach Norden fahren wir zeitweise am viertgrößten europäischen See, dem Peipussee, entlang. Kein Campingplatz hat auf, die meisten Stücke sind Privatbesitz, die Bebauung geht kilometerweit am Ufer entlang. Leider bleiben wir nicht an einem zweitschönsten Platz, weil wir den schönsten suchen. Pech gehabt, den gab es nicht mehr. Also fuhren wir weiter bis zur russischen Grenze, an der ein wunderschönes orthodoxes Kloster steht. Außen herum die Häuser sind zum Erbarmen, mit ganz wenigen ausnahmen. Es gibt zwar einen Parkplatz am Kloster, aber wir fühlen uns dort nicht wohl. Die meisten Leute, die wir zu Gesicht bekamen waren dermaßen ärmlich und abgerissen, dass wir hier nicht bleiben wollten. Diesen Eindruck hatten wir vorher auch schon: Auf der Schotterstraße (dort, wo die vielen Datschen stehen) kamen uns abgerissene Fußgänger und Porsche Cayennes (auch große Audis, Bmws usw.) entgegen, die Häuser waren auch sehr unterschiedlich. Halb zusammengefallene Bruchbuden, einfache kleinste Häuser und z.T. sehr aufwendig gebaute Holz- oder sogar Steinhäuser stehen in unmittelbarer Nachbarschaft. So große soziale Unterschiede haben wir bisher noch nicht gesehen.
Noch etwas fiel uns auf: In den touristischen Gebieten sind überall große Schautafeln angebracht, auf denen die Sehenswürdigkeiten in mehreren Sprachen (estnisch, manchmal lettisch oder finnisch, je nach Lage, fast immer russisch und englisch, ganz selten deutsch) erklärt werden, ebenso gibt es viele Wegweiser zu diesen Punkten. Dazu wurden Parkplätze an diesen Orten angelegt und überall stehen Schilder, auf denen darauf hingewiesen wir, dass hier EU Gelder geflossen sind. Und die Stadt Mannheim hatte ewig gebraucht um die paar Schilder mit dem Schloss an der Autobahn aufzustellen.
Am Kloster konnten wir über den Fluss nach Russland schauen, morgen werden wir uns die Grenze in Narva aus der Nähe betrachten. Vermutlich ist es überflüssig zu sagen, dass es schon wieder die ganze Zeit regnet. Ein gutes hatte der Regen: auf den Schotterpisten staubte es nicht.
Wetter: morgens 7°C und Nieselregen, dann stieg das Thermometer bis 11°C und manchmal war es sogar kurzzeitig trocken.

29.5., 44. Tag
Der Wettergott zeigt uns nun was er drauf hat. In der Nacht regnete es, am Morgen ist es nass und stark neblig. Dazu ist es ungemütlich kalt. Die Tagestemperatur bleibt bei 7°C, nur einmal geht sie kurz auf 8° hoch. Der Nebel bleibt den ganzen Tag, mal haben wir 100 m, mal 250 m Sicht. Wir fahren an die Küste, dort ist es besonders ungemütlich, von den schönen Klippen, immerhin über 50 m hoch, kann man kaum ins Wasser sehen. Da hat es auch keinen Sinn, ins nächste Naturschutzgebiet zu gehen und paddeln wollen wir natürlich auch nicht. Also fahren wir nach Tallinn, denn Städte kann man auch bei schlechtem Wetter ansehen.
Ich wusste, dass die Fa. Tahe-Outdoor ihre Kajaks bei Tallinn produziert. Daher wollte ich versuchen, einen Blick in die Fertigung zu werfen. Wir fuhren also dahin und tatsächlich wurden wir empfangen. Uns wurde das ganze Programm gezeigt, die Strategie erklärt, dass man in Europa die Nr. 1 werden will, wir konnten Boote in verschiedenen Fertigungsstufen sehen, aber die Fertigung selbst, die blieb tabu. Die ist für Besucher nicht zugänglich. Schade, ich hätte zu gerne die modernen Fertigungsmethoden wie Vakuum- und Infusionsverfahren in Natura gesehen. Aber eine Nase voll Harzduft konnte ich erhaschen.
Wir wählten das Citycamp, weil es dort eine Waschmaschine gibt, die wir nun endlich mal brauchen könnten. Leider gibt es keinen Trockner und auch keinen Trockenraum. Wir verbringen den Nachmittag in der Altstadt in der so richtig was los ist. Auf dem Marktplatz ist für die nächsten Tage ein Jazzfestival (dzässfestival), bei dem wir einer Gruppe eine ganze Weile zuhören. Danach fahren wir wieder mit dem Bus nach „Hause“, der Tag war trotz allem anstrengend genug.
Wetter: Nachts kräftiger Regen, tagsüber leichter Regen, Tagestemperatur 7-8°C

30.5., 45. Tag
Wir fahren auf den anderen Platz in Tallinn im Hafen. Er ist deutlich billiger und man sieht etwas vom Hafen und Meer. (Citycamp 22€ ohne Strom, aber mit sehr einfachen Duschen, Stellplatz im Hafen 14€ mit Strom, Duschen: 3€!)
Dann fahren wir in die stadt und laufen zum Fährhafen, denn nächste Woche wollen wir einen Ausflug nach Helsinki machen. Als wir hinkommen legt gerade eine Fähre an. Hunderte von Finnen strömen aus dem Schiff, jeder mit Rollkoffer oder irgendeinem Karren. Dann geht es in die Schnapsläden, die es dort in großer Anzahl gibt. Viele bleiben übers Wochenende, andere machen nur heute einen drauf und fahren bei Nacht zurück. Kurz darauf kommt die nächste Fähre, das gleiche Schauspiel. In einem Pub wettern wir den aufkommenden Regen ab, trinken Bier und essen eine estnische Spezialität: Pannekoke. Es gibt über 30 Sorten, gefüllt mit allem was man sich vorstellen kann. Ich nehme einen mit Hering. Der Pfannenkuchen ist süß, in ihn eingewickelt sind saure Heringsstücke, die in einer weißen Soße schwimmen. Die Portion war groß und sie ist gewöhnungsbedürftig, mir stößt der Hering jetzt immer noch auf.
Wir gehen wieder in die Altstadt, auf dem Marktplatz läuft das Jazzfestival und wir bleiben längere Zeit dort bis wir durchgefroren sind. Die Altstadt ist nun in der Hand der Finnen, interessant, was da für Gestalten unterwegs sind. Am Montag werden wir ja sehen, wie die Leute in Helsinki wirklich sind.
Wetter: erst kühl und grau, dann etwas aufgelockert, kurzzeitig leichter Regen, Temp. bis ca. 15/16 °C